The Respectful Nettheatre Channel
Wissensproduktion in digitalen Kulturen
Vortrag
Film von Martina Leeker
Un/Gewollte Aussetzungen.
Strategien für eine zukunftsorientierte digitale Wissensproduktion.
Vortrag von Martina Leeker, gehalten von Lotte Leaker (wegen einer Unpässlichkeit der Autorin) (Lecture Performance)
Ort: Haus Bastian, Zentrum für kulturelle Bildung / Staatliche Museen zu Berlin. Veranstaltungsreihe SET #12: Digitale Vermittlung, 27.10. 2022.
Zum Vortrag:
Wissen zeigt sich in digitalen Kulturen als ein irritierendes Paradox: Je man wissen kann, desto weniger weiß man. So stehen beispielsweise zwar riesige Datenmengen zur Verfügung. Für deren Auswertung und Bearbeitung sind aber digitale Operationen von Nöten, die in ihren Funktionsweisen nicht völlig nachvollziehbar sind. Es kommt zu einem weiteren Paradox. Der Ruf nach Transparenz und umfänglichem Wissen, der sich aus der beschriebenen Lage ergibt, blendet zugleich die kultur- und gesellschaftsstiftende Funktion von Nicht-Wissen aus, die etwa bei der Suche nach Lebenspartner*innen oder bezogen auf die Bedeutung von Imagination in den Künsten aus. Es heißt mithin nicht nur mit der Konstitution digitaler Kulturen in Nicht-Wissen, sondern auch mit dem Paradox sowie der Ambivalenz von Nicht/Wissen umzugehen und Wissen zu generieren und dabei zugleich Nicht-Wissen zu akzeptieren und zu gouttieren.
Dies zu tun, werden performative Methoden und Ästhetiken für Wissensproduktion vorgeschlagen und erprobt. Diese arbeiten ERSTENS mit Lecture-Performances und Speculation-Labs, in denen die Zustände und diskursiven Entwürfe digitaler Kulturen so dargestellt werden, dass die Zuhörenden und Besuchenden ob der hyperaffirmativen Zuspitzung deren Konsequenzen erfassen und reflektieren können. ZWEITENS geht es um eine „Kultur der Aussetzung“, im Sinne eines Sich-Aussetzens an die technologischen Bedingungen digitaler Kulturen UND einer Aussetzung dieser Involvierung. Ein Beispiel für ein Problemfeld ist die Nutzung von TikTok/social media im Kontext von Wissensproduktion in Wissensperformances. Ist dabei die derzeit gehypte „Fast-Forward-Science“ hilfreich, die Wissen und Sichtbarkeit in Social Media propagiert, es aber zugleich unterlässt, die Bedingungen von Wissen und dessen Verbreitung durch einen Empfehlungsalgorithmus und die Likes von sogenannten User*innen sichtbar zu machen und zu reflektieren? Wäre nicht auch ein Aussetzen im Sinne der Unterlassung nötig, um Widerständigkeit im Kontext der algorithmischen Produktion von Wissen herzustellen und wie könnte dieses aussehen?
Martina Leeker ist Medien- und Theaterwissenschaftlerin, Theatermacherin, Theaterpädagogin. Forschung mit Kunst für kritische Wissensproduktion und fragile Widerständigkeit (Vgl.: Experiments&Interventions). Von 2002 bis 2010 Juniorprofessorin für „Theater und Medien“ an der Universität Bayreuth. Von 2013 bis 2018 Senior-Researcher am „Centre for Digital Cultures“ (CDC) der Leuphana Universität Lüneburg; seither dort affiliiert. Derzeit Vertretung der Lehre des Lehrstuhls „Ästhetische Theorie und Praxis“ an der Universität zu Köln, Kunst und Kunsttheorie. Gastprofessuren in Weimar (Medienwissenschaft) und Berlin (Theaterpädagogik). Diverse Lehraufträge/Workshops für Theater- und Medienwissenschaft, Theaterpädagogik/Ästhetische Bildung sowie Artistic Research an Universtäten im In- und Ausland. Seit Sommer 2021 Initiatorin und Teammitglied des „The Respectful Nettheatrechannel“. Forschungsbereiche: Digitale Kulturen, Theater, Performativität und Digitalität, Kritische Medientheorie, Theater und Medien, Art and Technology, Bildung, Mimesis, Kritik, Künstlerische Forschung.
Lotte Leaker is an activist for digital enlightenment, exerting wherever it is necessary leaking and conspiring against digital cultures’ secrecy, fakeness, conspiracy, data-economy, and users’ credulity. Her motto is: “Like to leak, need to leak – in favour of humour and ambiguity”. She is also engaging for making the Internet a more equal space, giving a place for the old, promoting “Performing Aging”, as a strategy to explore norms, and bans in social media. She received the famous “Dr. Owlglass Medal” during an undocumented ceremony in Leutkirch/Allgäu.
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