Barbara Kantel

Theater

Barbara Kantel

Theater

Beschreibung

Studierte Theater-, Film- und Fernsehwissenschaften, Anglistik und Geschichte in Berlin und bildete sich zur Tanz- und Theaterpädagogin und zur Theatertherapeutin aus. Nach dem Studium arbeitete sie zunächst als freie Theaterpädagogin und Dramaturgin in der Freien Szene Berlin. Ab 1990 war sie als Theaterpädagogin und Dramaturgin in Hannover engagiert, zunächst an der Landesbühne Niedersachsen, ab 1996 am Niedersächsischen Staatstheater als Leiterin der Theaterpädagogik. Dort baute sie die Jugendtheaterarbeit aus und war seit Gründung der Jugendtheatersparte Junges Schauspiel Hannover dessen stellvertretende Leiterin. Parallel arbeitete sie als Dozentin im Studiengang Darstellendes Spiel an der Leibniz Universität Hannover und im Fach Theaterpädagogik an der Fachschule für Sozialpädagogik Birkenhof. Von 2009 bis 2011 leitete sie gemeinsam mit Birgit Lengers das Junge DT am Deutschen Theater Berlin. Von 2011 bis 2015 war sie als Künstlerische Leiterin des Jungen Schauspielhauses Düsseldorf und Mitglied des Leitungsteams des Düsseldorfer Schauspielhauses engagiert. Ab 2014 arbeitete Barbara Kantel frei als Dramaturgin, Regisseurin, Projektleiterin und Dozentin u. a. für das Tanzhaus NRW e.V., die Bundeskulturstiftung und die Theaterakademie Hamburg. Nach dem Engagement als Projektleiterin für das Montagscafé, einem interkulturellen Begegnungs- und Diskursort für Geflüchtete und Einheimische am Staatsschauspiel Dresden, kehrte sie 2016 als Dramaturgin an das Schauspiel Hannover zurück, wo sie ab der Spielzeit 2017/18 die Leitung des Jungen Schauspiels innehatte. Mit der Spielzeit 2019/20 übernimmt Barbara Kantel die Leitung der Abteilung Künstlerische Vermittlung und Interaktion, weiterhin arbeitet sie als Dramaturgin. Ihre Arbeitsschwerpunkte liegen auf partizipatorischen, transkulturellen und intergenerativen Theaterprojekten.

Projekte

**Biograph, 11/2011**

**Mehr Abendvorstellungen im neuen Jungen**

**Das Junge Schauspielhaus eröffnet die Spielzeit mit gleich drei Premieren. Barbara Kantel, die neue Künstlerische Leiterin, im Gespräch.**

*Frage: Düsseldorfer Schauspielhaus und Junges Schauspielhaus haben nun ein gemeinsames Ensemble, eine gemeinsame Öffentlichkeitsarbeit. Soll das Junge dadurch von der Dachmarke am Gründgens-Platz aufgewertet werden? Oder profitiert eher die Dachmarke vom jahrelangen Erfolg des Juniorpartners?*

Barbara Kantel: Das Junge Schauspielhaus bleibt wie bisher künstlerisch eigenständig. Es entscheidet weiterhin autonom über sein Programm und seine Künstler. Wir können mit dem großen Ensemble natürlich jetzt andere Stücke und Projekte ansetzen als das bisher mit dem kleinen Ensemble der Fall war. Auch programmdramaturgisch finde ich es sinnvoll und notwendig, immer das ganze Haus mitzudenken. So wird es sicherlich auch mal vorkommen, dass Stücke oder Projekte, die zunächst für das Schauspielhaus angedacht waren, im Jungen Schauspielhaus landen und umgekehrt, weil sich im Laufe ihrer Entwicklung herausstellt, dass dort der bessere Ort ist. Und wir nutzen die Kompetenz und Manpower des ''Mutterhauses'' in Bezug auf Technik und Öffentlichkeitsarbeit. Ich gehe davon aus, dass es eine Win-Win-Situation für alle Beteiligten ist.

*Wie hoch ist der organisatorische Aufwand des Zusammenschlusses und was sind die Probleme dabei?*

Der ist leider sehr hoch und es ist ziemlich kompliziert, vor allem im Bereich der Besetzung und der Vorstellungsdisposition. Wenn Schauspieler im Jungen Haus vormittags auf der Bühne stehen und spielen, können sie natürlich nicht proben. Wenn sie vormittags im Schauspielhaus proben, nicht im Jungen Haus spielen. Das hat natürlich Konsequenzen für alle Produktionen des Hauses. Auch intern ist noch viel Überzeugungsarbeit zu leisten.

*Nicht alle Schauspieler sind begeistert. Warum ist es dennoch wichtig, dass jeder Schauspieler beide Häuser bespielen kann?*

Alle Schauspieler des Ensembles sind von uns, von Staffan Valdemar Holm und von mir, von Beginn an über unserer Idee von integrierter und integrierender Kinder- und Jugendtheaterarbeit informiert worden und fanden das (zumindest theoretisch) auch richtig. Dennoch gibt es sicherlich einige, die sich selbst nur schwer vor einem jugendlichen Publikum vorstellen können, vielleicht sogar Angst vor ihm haben. Das ist schade - und hoffentlich durch gute Erfahrungen in der Arbeit im Jungen Schauspielhaus änderbar. Denn die Impulse, die aus der Begegnung mit einem jungen, oftmals viel direkteren oder unmittelbarer reagierenden Publikum für die eigene künstlerische Arbeit entstehen, sind genauso wichtig wie die Erfahrungen, die Schauspieler in der Begegnung mit dem erwachsenen Publikum machen. Das kann sogar bedeuteten, dass man seine Mittel mehr befragen muss als im „Erwachsenentheater“.

*Ein Motiv des Engerrückens ist klar: Weniger Barrieren zwischen Jung und Alt - also mehr Kunst, weniger Methodik und Zeigefingertheater. Wie stellen Sie sicher, dass Ihre Regisseure Ihrem Kurs folgen?*

Die Regisseurinnen und Regisseure, die ich eingeladen habe, am Jungen Schauspielhaus zu inszenieren, haben alle einen spartenübergreifenden Ansatz. Für sie ist es wichtig eine Geschichte so gut es geht zu erzählen und verfügen über die ästhetischen Mittel, das sowohl für Kinder als auch für Erwachsene zu tun. Die Themen und Stoffe, die wir ausgewählt haben, scheinen uns für Kinder und Erwachsene gleichermaßen von Belang.

*Wieviel Einfluss hat der Generalintendant auf Ihr Programm? Kann er Stücke ablehnen und schlechte Inszenierungen stoppen?*

Kann er. Dafür ist er der Generalintendant. Das konnten seine Vorgängerinnen aber auch schon. Da ich selber aber Mitglied der Dramaturgie und der künstlerischen Leitung im Schauspielhaus bin, gehe ich davon aus, dass wir die Programmauswahl betreffend immer so im Gespräch sind und sein werden, dass es zu einer Stückablehnung nicht kommen wird. Und was schieflaufende Inszenierungen betrifft: Da kann ich nur hoffen, dass wir in eine solche Situation nicht kommen werden. Denn das ist für alle Beteiligten ziemlich scheußlich.

*Es finden sich viele Projekte und Buchdramatisierungen in Ihrer Premierenübersicht. Haben Autoren, die direkt für die Bühne schreiben, heute so wenig zu bieten?*

Es gibt viele Möglichkeiten und Wege im Theater über die Welt zu erzählen. Die Jugendtheaterdramatik ist eine davon - und sie hat Gewicht in unserem Spielplan. Immerhin sind mit Medea, Der erhobene Zeigefinger, Freie Sicht und Klaus und Erika vier von insgesamt zehn Spielplanpositionen ''Theaterstücke''. Die Dramatisierung von Bilder- und Kinderbüchern, wie sie z.B. mit den Produktionen Wenn ich das 7. Geißlein wär' und Swchwrm vorliegen, hat eine lange und erfolgreiche Tradition im Kinder- und Jugendtheater und ich würde sie durchaus zur Jugendtheaterdramatik zählen. Aber insbesondere in unserer partizipativen Theaterarbeit, in der wir gemeinsam mit den jugendlichen Bewohnern der Stadt zu ihren Themen und Lebenswelten recherchieren und sie dann auf die Bühne bringen, brauchen wir oft andere Formen und Mittel des Erzählens. Und wenn wir in der aktuellen erzählenden Literatur auf einen Roman stoßen, der - wie in Nichts. Was im Leben wichtig ist - die Situation von Kindern, ihre Fragen und Verunsicherungen, ihre Sinnsuche in unserer leistungs- und karriereorientierten Gesellschaft parabelhaft zugespitzt darstellt, dann verfügt das Theater ja glücklicherweise über ästhetische Mittel, auch das auf der Bühne zu erzählen.

*Viele Zuschauer schätzen das Kinder- und Jugendtheater, weil es im Gegensatz zum Erwachsenentheater viel spielerischer, weniger verkopft und konzeptionell daherkommt. Trotzdem muss es oft gegen strukturelle Benachteiligung kämpfen. Warum die Geringschätzung?*

Ich nehme an, dass das kein Problem ist, das nur das Theater betrifft. Wahrscheinlich hat es mit dem grundsätzlich nicht gerade kinderfreundlichen Klima in Deutschland zu tun. Es werden zwar einerseits enorme Summen in die Familienförderung gesteckt, andererseits aber gibt es auch die Vorstellung, dass Kinder und alles, was mit ihnen zusammenhängt, wie Kindergärten, Schulen und eben auch die Theater, mit weniger zurechtkommen.

*Wie wird man zum Leiter eines Kinderund Jugendtheaters? Muss man Kinder großziehen, um die nötige Kompetenz zu haben?*

Allein die Tatsache, dass man Kinder in die Welt gesetzt hat, befähigt einen zu gar nichts. Eltern sein muss man genauso lernen wie das Theater machen für Kinder. Es ist jeweils ein anderer Job. Und die Kompetenz, Theater für Kinder zu machen, ist die Kompetenz Theater zu machen – nur besser.

*Die Fragen stellte Felix Schnieder-Henninger*

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